Wo sind all die Eier hin?
- Hero Wantage
- 28. März 2024
- 5 Min. Lesezeit
Kleine Geschichte zu Ostern
Wettringen, im Jahre des Herrn 1978
Ich wurde in diesem Jahr 11 Jahre alt, aber noch war ich zehn.
Und wie üblich verbrachte unsere Familie die Ferien auf unserem "Bauernhof" bei Wettringen.
Aber es war etwas anders als sonst.
Da wir an den Wochenenden nicht immer Zeit hatten, d.h. mein Vater konnte sich nicht als selbstständiger Tischlermeister ständig aus seiner Firma loseisen, um mit uns auf den Hof zu fahren, hatten wir den größten Teil davon untervermietet.
Wir wohnten dann, wenn wir da waren, in einem kleineren Teil des Hofes, einem restaurierten ehemaligen Tiefstall.
Aber für mich und meine Schwester war das toll, denn mein Vater hatte das große Haupthaus an eine Familie mit ACHT Kindern vermietet!
Wir hatten also eine Unmenge an Spielkameraden.
Das beste daran war aber, dass der jüngste, ein Junge, gerade mal ein Jahr alt war, und der Älteste achtzehn.
Alles dazwischen waren MÄDELS?
Geil!
So war auch schnell abgemacht, wer mit wem beste Freundin war und wer das Nachsehen hatte. Das gab oft ne Klopperei.
Klar, alle wollten wir miteinander spielen, aber auch als beste Freundin Geheimnisse tauschen. Und an einem Wochenende hatten meine beste Freundin aus dieser Familie, Anna ( Name geändert) und ich etwas ganz besonders vor.
Es war gerade Ende März und noch saukalt. Aber Anna und ich wollten unbedingt zelten.
Wir sahen das als einzige Möglichkeit, dem MOB aus anderen Familienmitgliedern zu entkommen.
Erst gab es ein rigoros NEIN aus dem Mund meiner Mutter.
Mein Vater brummelte nur.
Und dann war da noch ein kleines Problem, wir hatten kein passendes Zelt?
Nur ein INDIGENES, ihr wisst schon...so mit Tomahawk und so. Friedenspfeifen mäßiges. Zum aufrecht drin sitzen. Jo.
Aber Georg ( Name geändert) der älteste der Rasselbande, hatte eine mordsmäßige Idee. Er wollte uns einfach ein Zelt bauen. Material hatten wir genug da, Holz und Nägel aus der Schreinerei meines Vaters und Plane zum bespannen. Die Folie bestand aus Überresten, die wir immer von unserem Pool überbehielten, weil die jedes Jahr erneuert werden musste. Warum?
Weil es Runkelfolie war und die war nicht besonders lange haltbar. Normalerweise deckten die Bauern damit ihre Silos ab, aber wir benutzten sie im Frühjahr, um unseren Pool damit auszulegen und wasserfest zu machen.
Also, gesagt getan und frisch ans Werk.
Draußen war es, wie zuvor erwähnt, noch arschkalt, es blies ein heftiger Wind, was es uns nicht gerade erleichterte, die Folie auf dem Holz zu befestigen. Georg hatte nämlich vor, ein HÄUSCHEN zu bauen.
Also war der Grundriss sowas wie eine Gartenhütte.
Mit schrägen Dachfirst. So wie man als kleines Kind eben ein Häuschen malen würde. Ja, so sah es aus. Und einen Boden aus Folie sollte es auch bekommen.
Ich weiß nicht mehr, wie oft uns die Folie auf und davon flog und wir hinter ihr her jagen mussten. Unsere Finger waren kalt und klamm und unsere Laune näherte sich dem Tiefpunkt. Aber nicht die von Georg. Er gab uns Anweisung, um Anweisung, um Anweisung.
Und dann, nach Stunden der Arbeit war es endlich soweit.
Anna und ich waren stolz und bestaunten Georg´s Machwerk. Er, als ausführender Architekt plusterte sich auf und wollte wie der Blitz ins Haus rennen, um die anderen zu holen. Aber das wollten wir nicht. Das war UNSER Häuschen! Punktum! Also alles perfekt.
Das "Zelt" war federleicht zu tragen, denn es sollte an einem ganz besonderen Ort positioniert werden. Möglichst weit weg vom Haus und so ausgerichtet, das wir möglichst windgeschützt darin hausen konnte.
Also trugen wir, Anna und ich, unser Häuschen in eine kleine Tannenschonung. Im Rücken des Zeltes war ein Erdwall aufgeschüttet ( der ehemalige Erdaushub des Pools) auf dem nach einigen Jahren seiner Erbauung hohen Kiefern wuchsen und die uns guten Schutz vor dem rauen Wetter boten.
Der Eingang unserer Behausung zeigte nach Süden.
Direkt auf unsere Schafsweide bzw. Pferdekoppel.
Nachdem also sozusagen "Richtfest" gefeiert war, sprinteten wir ins Haupthaus um unseren riesigen Dachboden ( ehemaliger Strohboden) zu plündern. Zu der Zeit war er wie ein gigantischer Flohmarkt. Das hatte seinen Ursprung darin, dass dort all die Sachen gelagert wurden, die in unserem Appartementhaus ( 21 Zimmer, die von meinen Eltern möbliert vermietet wurden) in Münster nicht mehr gebraucht wurden. Zum anderen lagerten dort Unmengen an Möbeln aus Wohnungsauflösungen ( Ein Hobby meines Vaters). Und dann gab es auch noch einen dritten Punkt, aber den halte ich mir für eine meiner nächsten Geschichten noch warm
Dort fanden wir als erstes sechs Matratzen.
Vielleicht kennt ihr die noch, diese super dicken, dreiteiligen Springfedermatratzen aus Uromas Betten. Davon nahmen wir uns jede drei und als Topper jeder noch eine etwas dünnere aus Pferdehaar ( ja, sowas gabs, die waren ziemlich dünn und durchgesteppt. Und ziemlich sperrig. Aber super warm).
Das beste waren allerdings dicke, grüne Steppdecken, die aus US-Armeebeständen stammten. All das schleppten wir, samt dicken Plümo´s und Federkopfkissen in unser neues Heim.
Somit war der Boden bedeckt und wir bekamen keine kalten Füße, denn es war kein Fitzelchen Platz vom Boden mehr zu erkennen.
Dann folgte der Proviant. Butterkekse, Zitronensprudel und jede Menge belegte Brote. Zu guter Letzt durften eine Petroleum Lampe, zwei Taschenlampen, Streichhölzer und jede Menge Comics natürlich auch nicht fehlen. Erst als DAS erledigt war, rannten wir zurück zu unseren Eltern und fragten um Erlaubnis, die Nacht draußen verbringen zu dürfen. Und wir führten sie vor Stolz wie aufgebläht hinter die kleine Lichtung bei den hohen Kiefern.
Und da mein Vater ein richtiger Abenteurer war, gab Mama nach und gut war. Den Eltern von Anna war es egal, die waren froh, einen Qualgeist weniger im Haus zu haben. Aber das war auch nachvollziehbar bei acht Kindern plus meine Schwester und ich, die ja bei Ihnen auch immer noch zum spielen herumsprangen.
Etwas Ärger gab es dann doch noch.
Wir hatten nämlich viel zu viel Besuch. Ständig krabbelte ein oder zwei Geschwister von Anna bei uns rein und wieder raus, um uns "zu besuchen" wie sie meinten. Leider hatte die Zeit für eine Tür mit Schloss nicht gereicht. Und so bedurfte es erst des energischen Einschreiten von Anna´s Papa, dass wir unsere Ruhe bekamen.
Außerdem war es mittlerweile draußen stockduster und da wollten alle Elternteile nicht, das die "Kleinen" unbeaufsichtigt so nah an unserem Pool herumwuselten.
Wie ihr euch vorstellen könnt, wurde es für Anna und mich eine lange Nacht. Und es wurde eisig kalt, weil die Temperatur unter Null fiel. Gegen Mitternacht nahm der Sturm dann auch noch so richtig Fahrt auf und unser kleines Haus wurde ordentlich durchgerüttelt. Erst in den Morgenstunden schliefen wir ob des Abenteuers Arm in Arm, um uns gegenseitig zu wärmen, ein.
Ich denke, wir wurden so gegen Mittag wach, weil es sozusagen an unsere Tür klopfte.
"Wollt ihr nicht reinkommen", meinte mein Vater durch die geschlossene Plane, "und wenn nicht, dann nehmt wenigstens hier die Thermoskanne mit heißem Pfefferminztee von Mama!"
Reinkommen wollten wir noch nicht, aber Tee, klar!
Als zog Anna die Plane zur Seite und ach herrje, mein Papa stand da und grinste sich eins. Denn draußen hatte sich über Nacht alles in eine Schneelandschaft verwandelt. Zentimeterdick hing das weiße Pulver auf den Tannen und wehte nun in unser Zelt hinein.
Mein Papa grinste nur:
"Mama hatte gestern schon die Ostereier versteckt für heute ( es war Ostersonntag) aber ob wir die finden, bevor es taut, das weiß ich nicht?"
Wir meinten, das wir später hineinkommen würden, wenn wir den Tee getrunken hätten. Was wir dann auch taten, aber wir waren doch ziemlich durch gefroren. Aber wir hatten auch den Neid aller, den wer wacht schon morgens sozusagen mit der Nase im Schnee auf? Mein Papa war bestimmt glücklich.
Die Eier fanden wir trotzdem noch, denn gegen Nachmittag fing es an zu tauen. Nur waren sie ziemlich kalt für ein Solei.
Als es dann die nächsten Tage immer wärmer wurde, räumten wir unser Zelt auf, um alles zu lüften. Die dicken dreiteiligen Matratzen waren ziemlich hin, der Rest hatte uns überlebt.
Das Häuschen aber haben wir noch den ganzen Sommer benutzt, solange jedenfalls, bis mein Pony Trixi meinte, es mit Anlauf über den Haufen rennen zu müssen.
Ade Häuschen, wir hatten viel Spaß mit dir!

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